Positiv verrückt

Pionier-Leistungen im Fokus des zweiten Rapid.Tech 3D-Tages

Mit dem Geständnis, dass er von AM herzlich wenig verstehe, eröffnete Keynote-Sprecher Frank Rinderknecht von Rinspeed den zweiten Tag der Rapid.Tech 3D 2023 (10. Mai). Die Schnittmenge zu den Fachleuten des Additive Manufacturing (AM) fand der visionäre Schweizer Automobildesigner jedoch schnell. „Wir sind alle Pioniere“, betonte er. So wie er und sein Team sich als Verrückte sehen, die im besten Wortsinn scheinbar festgefügte Sachverhalte verrücken und damit bewegen, sei auch AM aus dem Weiterdenken, dem Mut zum Anders-Sein entstanden.

Rinspeed entwickelt seit über 40 Jahren visionäre Mobilitätskonzepte. Jüngste Innovation ist das modulare CitySnap-Fahrzeugkonzept, das als Lieferfahrzeug beispielsweise mobile Packstationen bringt oder mit einem anderen Modul zur Personenbeförderung eingesetzt werden kann – elektrisch angetrieben und zukünftig automatisiert fahrend und alles auch mit den Mitteln des 3D-Drucks umgesetzt. Die aus vielen Gründen notwendigen neuen nachhaltigen Mobilitätslösungen sind ohne bahnbrechende Innovationen nicht realisierbar. Dazu zählt für Frank Rinderknecht die beständige Weiterentwicklung im AM-Bereich.

Chemie: Mit 3D-Druck traditionelle Grenzen aufbrechen

Pionierarbeit leistet AM ebenso in der chemischen Industrie. Das verdeutlichte Jurjen Meeuwissen in der zweiten Keynote des Tages. Der Senior Researcher bei Shell berichtete über den Forschungsstand beim 3D-Druck von Katalysatoren für Gas-to-Liquid-Prozesse. Bei einer konzerninternen Präsentation des Themas 2018 sei die Mehrheit noch der Meinung gewesen, dass 3D-gedruckte Katalysatoren eher ins Reich der Fiktionen gehören. Mittlerweile offenbart sich das Zukunftspotenzial der Entwicklung, denn die Designfreiheit beim 3D-Druck ermöglicht es, Grenzen der traditionellen Katalysatoren-Produktion aufzubrechen.

Welche weiteren Barrieren sich mit AM in der Chemie und Verfahrenstechnik überwinden lassen, war ebenso Thema des gleichnamigen Forums, das in diesem Jahr Premiere in Erfurt hatte. Die Rapid.Tech 3D gibt damit erstmals dem Stand und den Trends der additiven Fertigung in der chemischen und pharmazeutischen Industrie sowie dem damit verbundenen Anlagenbau ein eigenes Veranstaltungsformat.

Über neueste AM-Entwicklungen und -Anwendungen tauschten sich die Rapid.Tech 3D-Fachbesucher darüber hinaus in den Foren Medizin, Design sowie Software & Prozesse aus.

Der AM-Markt nach Corona und Ukraine-Konflikt in der Diskussion

Pioniergeist erfordert ebenso der Umgang mit den multiplen Krisen der jüngsten Zeit. Die Auswirkungen von Corona und des Ukraine-Konflikts auf die Entwicklung des AM-Marktes waren Gegenstand einer Podiumsdiskussion. Die Veränderungen der Arbeitswelt in Richtung flexibles Arbeiten, das Beschleunigen digitaler Prozesse sowie die Sensibilisierung für Wertschöpfungs- und Beschaffungsprozesse innerhalb Europas bewerteten die Diskutanten als positive Effekte der Pandemie. Jedoch könne nach wie vor nicht alles digital abgebildet werden. Beispielsweise braucht es in der Medizintechnik den direkten Kontakt zum Patienten. Für die nicht zuletzt aus dem Ukraine-Konflikt resultierende notwendige Modernisierung der Bundeswehr erhoffen sich auch die AM-Akteure Geschäft, u. a. für die Ersatzteilproduktion.

Gewinner der 3D Pioneers Challenge 2023 gekürt

Zukunftsweisende Entwicklungen für viele Lebensbereiche kreieren die Teilnehmer des internationalen Innovations- und Designwettbewerbs 3D Pioneers Challenge. Der Contest trägt seit acht Jahren sein Finale in Erfurt aus. Den Hauptpreis 2023 erhielt die Mattisse-Bioprothese des französischen Startups Lattice Medical. Das Implantat ermöglicht den Brustaufbau nach einer Krebs-OP ohne Silikon. Die Prothese wird mittels 3D-Druck perfekt an den Körper angepasst und vollständig von diesem resorbiert. Das eingesetzte Material „verwandelt“ sich in körpereigenes Gewebe. Neben dem Hauptgewinn wurden Ehrungen in insgesamt zehn Kategorien vergeben.

Ausblick auf den Abschlusstag der Rapid.Tech 3D

AM-Entwicklungen in Luft- und Raumfahrt, Premiere für ein weiteres Forum sowie Weiterbildung in der additiven Fertigung sind prägende Themen des Abschlusstages. In der Keynote referiert Dr. Steffen Beyer von der Ariane Group über neuartige 3D-Druck-Verfahren für eine effiziente Herstellung von Raumfahrtkomponenten. Vertieft wird die Entwicklung von AM in diesem Bereich im Forum Luftfahrt. Das weitere Forum des Tages mit dem Titel „Nachbearbeitung & Qualitätssicherung“ steht erstmals auf der Tagesordnung. Hier werden insbesondere Wege für durchgängig automatisierte Druck- und Nachbearbeitungs-Lösungen diskutiert.

Qualifizierte Mitarbeiter sind der Schlüssel, damit der industrielle 3D-Druck seine Potenziale voll entfalten kann. Der VDMA-Arbeitskreis Additive Manufacturing und das Netzwerk Building 3D e. V. erörtern in einer Podiumsdiskussion, wie erfolgreiche Weiterbildung in der additiven Fertigung gelingen kann.

Mehr Informationen zur gesamten Veranstaltung unter: www.rapidtech-3d.de

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